Sonntag, 13. Mai 2012

Ein bisschen Spaß muss sein: Bauvorschriften in Bad Mergentheim ...

Kürzlich hatte ich von Bekannten eines Freundes gehört, die sich *kurz* überlegt hatten, wieder nach Bad Mergentheim zu ziehen, und dort ein Haus zu bauen, da die Grundstücke im Vergleich zu größeren Städten ziemlich günstig sind. Beide sind selbständig und hätten der Region gut getan und der Stadt Bad Mergentheim einiges an Gewerbesteuern eingebracht.

Es versteht sich, dass ein Fertighaus oder ein "Standard" Haus für die beiden nicht in Frage kommt - es musste schon etwas modernes und individuelles sein - vom Architekt genau auf die Bedürfnisse zugeschnitten.

Schon nach relativ kurzer Zeit, war die Enttäuschung groß: die Bauvorschriften sind zu restriktiv und konservativ - selbst der Architekt war aufgrund er Vorgaben nicht gewillt, ein Haus nach diesen Vorgaben zu entwerfen.

Ein paar Highlights der Bad Mergentheimer Bauvorschriften:

[...]

Die Größe wird auf eine Grundfläche von max. 12 qm begrenzt. Die Traufhöhe darf 
max. 2,50 m und die Firsthöhe max. 4,00 m betragen. Die Dächer sind als Satteldach 
mit einer Dachneigung von 12° - 30° auszuführen. Die Wände sind mit 
Holzverschalung, Natursteinmauerwerk oder verputzt in  gedeckten  Farbtönen 
herzustellen.
[...]

(§ 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB) 
a) Auf den im Lageplan festgelegten Flächen mit Pflanzgebot (pf 1) sind ausschließlich 
heimische und standortgerechte Bäume (mittelgroße Laubbäume, Obstbäume) und 
Sträucher  entsprechend  der Pflanzenliste zu pflanzen, auf Dauer zu erhalten und 
bei Abgang neu zu pflanzen. Mindestanforderungen bei den  festgelegten 
Strauchpflanzungen sind: 2 x verpflanzt, 60 – 100 cm Höhe, Pflanzraster je nach Art 
1 –3 qm / Pflanze. Es sind mind. 25 % der Fläche mit Bäumen zu bepflanzen. 
b) Auf den im Lageplan festgelegten Flächen entlang des Siebenwindenweges  mit 
Pflanzgebot (pf 2)  sind die bestehenden Laubgehölze und Sträucher zu erhalten 
und bei Abgang zu ersetzen. 
c)  Auf der im Bebauungsplan ausgewiesenen Fläche zur Anlage einer Obstbaumwiese 
sind pro 80 m
2
 Fläche mind. 1 Obstbaum mit einem Stammdurchmesser von mind. 
10 cm zu pflanzen.


[...]
e) Von den unüberbauten bzw. nicht versiegelten Grundstücksflächen (siehe 2.5) sind 
mind.  25%  der  Gartenflächen unter Einbezug des im Plan festgesetzten 
Pflanzgebotes für Sträucher mit nachgenannten  einheimischen  Straucharten  zu 
bepflanzen und auf Dauer zu erhalten.  Mindestanforderungen  an  die 
Strauchpflanzungen sind 2 x verpflanzt, 60 – 100 cm. 
Pflanzenliste Straucharten: Pflanzenliste Baumarten:
Corylus avellana  Haselnuss (einheim.) Tilia cordata  Winterlinde 
Cornus sanguinea  Hartriegel  Quercus robur  Stieleiche 
Crataegus laevigata  zweigriffliger Weißdorn  Acer campestre  Feldahorn 
Lonicera xylosteum  Heckenkirsche Carpinus betulus  Hainbuche 
Prunus spinosa  Schlehe  Ulmus glabra  Bergulme 
Rosa canina  Heckenrose  Prunus avium  Vogelkirsche 
Rosa glauca  Wildrose  Malus silvestris  Wildapfel 
Sambucus nigra  Holunder  Sorbus torminalis  Elsbeerbaum 
Viburnum lantana  Wolliger Schneeball  Sorbus aucupuria  Eberesche 
Cornus mas  Kornelkirsche 


[...]
1.10  TECHNISCHE VORKEHRUNGEN ZUM SCHUTZ VOR SCHÄDLICHEN 
UMWELTEINWIRKUNGEN (§ 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB) 
Im Plangebiet sind zur Außenbeleuchtung / Straßenbeleuchtung nur Lampen mit einem 
UV-armen, insektenfreundlichen, energiesparenden Lichtspektrum zulässig. 
ibu - Ingenieurgesellschaft für Bauwesen und Umwelttechnik mbH, Tauberbischofsheim  12/2000 Stadt Bad Mergentheim - Bebauungsplan „Siebenwindenweg“  Seite 6 
-Schriftliche Festsetzungen und Örtliche Bauvorschriften- 
Die Lampen sind möglichst niedrig zu installieren. Wände  dürfen  nicht  angestrahlt 
werden. 

[...]

2.1.1  DACHFORM UND DACHNEIGUNG
a) Zulässig sind Satteldächer (SD) und im First versetzte Pultdächer (PDv) 
b) Die Dachneigung wird bei Satteldächern und bei im First versetzten Pultdächern auf 
25° - 40° festgelegt. 
c) Walm- und Krüppelwalmdächer werden nicht zugelassen.

[...]
2.1.2  DACHDECKUNG/-GESTALTUNG

a) Zur Dacheindeckung dürfen Ziegel und Betondachsteine  nur  in  naturroten  oder 
rotbraunen Tönen verwendet werden. 
b) Glänzende und glasierte Dachdeckungsmaterialien sind unzulässig
[...]
b) Die äußere Farbgebung aller baulichen Anlagen muss  in  hellen  und  gedeckten 

Farbtönen erfolgen. „Reines Weiß“, „Schwarz“ und „Anthrazit“ sind nicht zulässig. 
c)  Die Verkleidung baulicher Anlagen mit Faserzementplatten, Aluminium, Kunststoff, 
Fliesen oder ähnlichen Platten und Materialien ist nicht zulässig
[...]



Einfacher wäre es wohl, statt den ganzen Vorschriften, Angaben von Maßen, Winkeln und Dachziegelfarben gleich einen Bauplan für das "Bad Mergentheimer Standardhaus" beizulegen....viel Variantionsmöglichkeiten gibt es ja nicht mehr. Ein Job als Architekt in Bad Mergentheim stelle ich mir extrem entmutigend vor. Wie hoch ist in Bad Mergentheim die Architekten Migration? 99%? 

Lustig wird, es wenn die Vorschriften mit "Umweltschutz" begründet werden: Wissenschaftler haben schon vor Jahren festgestellt, dass die Erderwärmung verlangsamt würde, wenn alle Däche weiß gestrichen wären - da so die Wärmestrahlung wieder zurück ins Weltall reflektiert wird:

http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/konzept-gegen-klimawandel-die-welt-soll-weiss-werden-a-627148.html

Daher ist es umso verwunderlicher, dass in Bad Mergentheim nur rote Dachziegel und Spitzdächer erlaubt sind

Folgende Häuser wären also in Bad Mergentheim undenkbar:









Kein Wunder, dass die Bevölkerung in Bad Mergentheim immer weiter schrumpft - und es sehr an Zuzug von neuen oder ehemaligen Bewohnern mangelt  - so vergrault man sich viele potentielle Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die Bad Mergentheim voranbringen könnten.

Wer sich amüsieren möchten, kann die kompletten Bauvorschriften hier nachlesen:

http://www.bad-mergentheim.de/UserFiles/file/Abgeschlossene%20Verfahren/Bad%20MGH%20Siebenwindenweg/Festsetzungen.pdf

Aber mal im Ernst: In der Bad Mergentheimer Innenstadt sind die Vorschriften teilweise anscheinend noch nicht streng genug: hier wird des öfteren mal ein Altbau mit Geschichte zerstört oder abgerissen - oder es wird eine hässliche Mall in die Innenstadt gesetzt.

In den Außenbereichen und Neubaugebieten enstehend hingehen munter weitere Häuser, die immer noch wie vor 30 Jahren gebaut werden. Schön sind diese Neubaughettos nicht gerade (z.B. in der Au).

Ein bisschen Innovation und ein gewisser Anspruch bei der Architektur würde dem Stadtbild Bad Mergentheims in den Neubaugebieten sicherlich gut tun.

Mittwoch, 9. Mai 2012

Der Main-Tauber-Kreis im Vergleich zu Pfaffenhofen a.d. Ilm

Um herauszufinden, was im Main-Tauber-Kreis falsch läuft, lohnt es sich, einmal einen Vergleich mit einem anderen Landkreis durchzuführen.

Vergleichen wir also einmal....

Die Daten vom Main-Tauber-Kreis:


Main-Tauber-Kreis
Rang unter den 393 Landkreisen235
Veränderung der Bevölkerung von 2009 zu 2010 in Prozent-0,64
Verfügbares Einkommen privater Haushalte je Einwohner (2009) in Euro18.639
Veränderung der Erwerbstätigenzahl von 2008 zu 2009 in Prozent0,20
Arbeitslosenquote (2010) in Prozent3,94
Veränderung des Bruttoinlandsprodukts von 2008 zu 2009 in Prozent-4,44
Bruttowertschöpfung1 je Erwerbstätigen (2009) in Euro50.654
Investitionen im verarbeitenden Gewerbe je Beschäftigten (2009) in Euro3.534

Quelle: FOCUS-MONEY, Statistische Landesämter.


Die Daten von Pfaffenhofen a.d. Ilm

Pfaffenhofen a.d.Ilm
Rang unter den 393 Landkreisen1
Veränderung der Bevölkerung von 2009 zu 2010 in Prozent0,33
Verfügbares Einkommen privater Haushalte je Einwohner (2009) in Euro20.235
Veränderung der Erwerbstätigenzahl von 2008 zu 2009 in Prozent3,84
Arbeitslosenquote (2010) in Prozent2,72
Veränderung des Bruttoinlandsprodukts von 2008 zu 2009 in Prozent-1,95
Bruttowertschöpfung1 je Erwerbstätigen (2009) in Euro59.432
Investitionen im verarbeitenden Gewerbe je Beschäftigten (2009) in Euro15.512

Quelle: FOCUS-MONEY, Statistische Landesämter.

Zusammenfassend kann man also sagen:

  • die Bevölkerung im Main-Tauber-Kreis nimmt ab (wusste sicherlich schon jeder)
  • die Bewohner haben *etwas* weniger Geld. Wesentlich weniger Geld ist es nicht und der Grund ist einfach: im Main-Tauber-Kreis kommt man nicht in Versuchung viel Geld auszugeben, da es nichts gibt :-)
  • das Bruttoinlandsprodukt schmiert total ab, fast 5% in einem Jahr
  • die Wertschöpfung eines Erwerbstätigen im Main-Tauber-Kreis ist etwas niedriger
  • Und besonders bemerkenswert: Es wird nichts investiert...Ursache oder Wirkung? Wahrscheinlich beides und ein sich-selbst verstärkender Effekt
Hauptursache ist sicherlich die Abwanderung - die teilweise natürlich ist (d.h. junge Leute wollen auch was anderes von der Welt sehen), aber teilweise auch auf unfähige  Lokalpolitik beruht.

Klassisches Beispiel: Manche Ex-Bad Mergentheim überlegen sich zurückzuziehen und ein Haus zu bauen - dies scheitert oft an so banalen Dingen, dass die Stadt zu gierig bei den Baulandpreisen ist und das Bauland lieber jahrelang leer stehenlässt und auf wesentlich mehr Steuereinnahmen und Zinsausfall verzichtet als der höhere Quadratmeterpreis - wenn denn mal verkauft wird - rechtfertigen würde. Oder: die restriktiven Baubeschränkung, die meistens nur langweilige Standardhäuser erlaubt, mit der festgeschriebenen Dachneigung, der Farbe der Ziegel und sogar welche Büsche im Garten sein sollten.

Daher ist es umso lustiger, wenn Jochen Flasbeck der Freien Wähler, die demographische Entwicklung und Abwanderung der Mergentheimer in seiner Rede als "externen Faktor" interpretiert, auf den man überhaupt keinen Einfluss hätte.